Glück oder Pech?

Kristina.Kluge-Raschke • 1. Dezember 2025

Weisheitsgeschichte

Es gab einmal einen Mann, der hatte einen Sohn und ein Pferd, mit deren beider Hilfe er sein Land bestellte und ein zufriedenes Leben führte. Die Menschen in der Umgebung lobten seinen Sohn als sympathischen und fleißigen jungen Mann und priesen das Pferd als kräftiges und schönes Tier. "Was für ein Glück du hast", sagten Sie oft zu dem älteren Mann. Der lächelte aber nur leicht und sagte stets: "Gut oder schlecht, wer weiß das schon so genau...?"

Eines Tages - man weiß nicht wer versehentlich das Gatter offenließ - büxte das Pferd aus und wurde tagelang nicht mehr gesehen. "Oh jeh", riefen die Leute als sie das hörten, "was für ein Unglück, was für ein Pech, was soll nur ohne das Arbeitstier werden?" Aber der Mann sagte nur: "Gut oder schlecht, wer weiß das schon so genau...?"

Der Sohn ging los, wanderte weit hinauf in die Hügel, um das verschwundene Pferd zu suchen. Schließlich, nach mehreren Tagen, fand er es in Gesellschaft einiger Wildpferde. Als er es einfing und nach Hause brachte, folgten ihnen einige der Wildpferde und ließen sich sogar hinter das Gatter führen. Die Menschen in der Nachbarschaft kamen, um die kleine Herde zu bewundern. "Was für ein Glück du hast" riefen sie aus, als sie den älteren Mann sahen. Der lächelte wieder nur leicht: "Gut oder schlecht, wer weiß das schon so genau..."

In den nächsten Tagen machte sich sein Sohn daran, die Wildpferde behutsam einzureiten, stürzte jedoch vom Ross und brach sich ein Bein, so dass er sich nur mühsam mit Krücken fortbewegen konnte. "Was für ein Pech ihr habt", riefen die Leute, "wer soll dir jetzt bei der Arbeit helfen?" Der Mann lächelte mit einem Blick voller Mitgefühl auf seinen Sohn und sagte wiederum "Gut oder schlecht, wer das schon so genau..."

In den nächsten Tagen kamen Soldaten des Königs in das Dorf und nahmen alle jungen Männer mit, weil der König sie für den Krieg brauchte. Nur den Sohn des älteren Mannes ließen sie da, weil er mit seinem gebrochenen Bein für den Kampf nicht zu gebrauchen war.

Der Mann lächelte versonnen vor sich hin und Weisheit und Gelassenheit begleiteten ihn noch viele Jahre durch die Wellen des Lebens.
Gut oder schlecht, wer weiß das schon...?


Nacherzählt von Kristina Kluge-Raschke.
Alte Weisheitsgeschichte, die unter anderem von
Ajahn Brahm im Buch "Die Kuh, die weinte" erzählt wird.

von Kristina.Kluge-Raschke 27. Oktober 2025
Aus Forschung und Achtsamkeitspraxis
von Ayya Rakkhita 4. Oktober 2025
Repost einer Nonne auf Wanderschaft
von Kristina.Kluge-Raschke 19. September 2025
Achtsamkeit im Alltag
von Kristina.Kluge-Raschke 20. Juli 2025
Buchtipp: Aus dem Leben eines Waldmönchs
von Kristina.Kluge-Raschke 30. Mai 2025
Hörtipp zum Thema Zeiterleben
von Kristina Kluge-Raschke 14. April 2025
Weisheitsgeschichte
von Kristina.Kluge-Raschke 17. Februar 2025
Aus Forschung und Achtsamkeitspraxis
von Kristina.Kluge-Raschke 20. Januar 2025
Filmtipps: Einblicke ins MBSR-Programm
von Kristina.Kluge-Raschke 3. Januar 2025
Aus der Achtsamkeitspraxis
von Kristina.Kluge-Raschke 18. November 2024
Achtsamkeit im Alltag
Weitere Beiträge