Achtsamkeit und Schmerzen

Kristina.Kluge-Raschke • 14. Oktober 2024

Aus Forschung und Achtsamkeitspraxis

Alle Menschen erfahren in ihrem Leben körperliche Schmerzen und viele Menschen haben es mit wiederkehrenden oder chronischen Schmerzen zu tun. Wer starke Schmerzen erlebt, weiß dass es nicht nur um ein Empfinden an der betroffenen Stelle geht, sondern dass ein Wechselspiel mit dem ganzen Körper, mit Emotionen, Stimmungen und Gedanken entsteht. Wie wirkt Achtsamkeit beim Erleben von Schmerzen?


Krankenkassen empfehlen Achtsamkeit und das MBSR-Programm ergänzend zu anderen Maßnahmen der Schmerztherapie. Es wird zusammen mit anderen Methoden häufig unter dem Etikett Entspannungsverfahren genannt. Hierbei werden die positiven Effekte von körperlicher und geistiger Entspannung betont, aber auch die Möglichkeit, andere Körperzustände und Sinneseindrücke wieder deutlicher wahrzunehmen und damit eine Veränderung im Schmerzempfinden zu erfahren. Das kann man sich vorstellen, als ob wir an einem Mischpult sitzen und die Regler wieder anders einstellen. 


Blicken wir genauer auf MBSR und Achtsamkeit, erfahren wird, dass der Kern von Achtsamkeit nicht Entspannung ist. Es geht vielmehr darum, den jetzigen Moment wirklich wahrzunehmen und anzunehmen wie er ist, ohne ihn verändern zu wollen. Das bedeutet Körperempfindungen, Sinneseindrücke, Gefühle, Stimmungen und Gedanken bewusst zu erleben. Das gilt für die Angenehmen, die Unangenehmen und die Neutralen gleichermaßen. Entspannung ist ein häufiger positiver Nebeneffekt, wenn wir Achtsamkeitsübungen machen.   


Anhand der Ergebnisse einer neueren Studie kann man differenzierter verstehen, wie Achtsamkeit einen positiven Einfluss auf das Schmerzerleben haben kann. So lernt man bei der Übung von Achtsamkeit zwischen Körpersignalen wie Schmerzen und den emotionalen Bewertungen sowie kognitiven Reaktionen zu unterscheiden. Es kann ein Raum zwischen Reiz und Reaktion entstehen. Im Gehirnscan der meditierenden Betroffenen zeigen sich Veränderungen in den entsprechenden Gehirnarealen. So wird die Synchronisation zwischen Bereichen, die an Introspektion, Selbstwahrnehmung und emotionaler Regulierung beteiligt sind, verringert. In der genannten Studie erlebten Betroffene eine tatsächliche Schmerzreduktion mit regelmäßiger Achtsamkeitsmeditation (vgl. Kirady, Geo, 4.10.2024)

Auch andere Studien zeigen, dass viele Menschen nach einem Achtsamkeitstraining mit den chronischen Schmerzen besser leben können und der Leidensdruck nachlässt. Häufig lässt auch die Intensität der Schmerzen nach (vgl. Kabat-Zinn, 2023, S.58).


Dabei ist Achtsamkeit kein Wundermittel. Es ist eine Herausforderung und benötigt Mut, sich Schmerzen zuzuwenden. Wer die Intension hat, diese schnell loszuwerden, wird wohl enttäuscht, weil es um eine zutiefst akzeptierende Haltung und ein Bewusstwerden von eigenen Mustern und Reaktionen geht.


Eine praktische und einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Thema findet sich im 2023 erschienenen Buch von Jon Kabat-Zinn "Achtsam mit dem Schmerz - Das MBSR Programm bei chronischen Beschwerden". Das Buch zeigt Möglichkeiten auf, mit Schmerzen umzugehen, auch wenn diese nicht so leicht nachlassen. 


"Es gibt einen großen Unterschied, zwischen Schmerzen und Leiden. In diesem Leben mag zwar der Schmerz manchmal unausweichlich sein, das Leiden hingegen - das heißt wie wir mit dem Schmerz umgehen - ist eine Wahl" Jon Kabat-Zinn

     

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